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Praktizierender Zyniker und Freidenker

Vier Pro-Tipps zur Führung auf Distanz

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Seit bald fünf Jahren darf ich ein Team mit Anfangs sechs und heute 13 Mitarbeiter führen. Wir sind in einer Matrix-Organisation aufgestellt. Das heisst, die Leute sind mir zwar organisatorisch unterstellt, arbeiten aber in verschiedenen Projekten. Aufgrund der sowohl fachlichen wie teilweise auch geografischen Entfernung nennt man das gerne „Führen auf Distanz“. Dies ist eine nicht ganz einfache Ausgangslage, die zu Beginn vielen Teamleitern Mühe machte. Deshalb hier vier Pro-Tipps, welche aus der Erfahrung der letzten Jahre entstanden sind:

Regelmässige persönliche Gespräche
Ich arbeite weder direkt mit meinen Mitarbeitern zusammen, noch im selben Projekt oder am gleichen Standort. Die einzige Möglichkeit, mich trotzdem mit ihnen auszutauschen sind regelmässige Treffen. Diese erfüllen folgenden Zweck:

  • Aufbau einer persönlichen Beziehung und von gegenseitigem Vertrauen
  • Austausch über das Projekt und allfällige Probleme
  • Kommunikation teamspezifischer und übergreifender Informationen.

Meine Mitarbeiter treffe ich monatlich. Die Termine werden bei zeitlichen Konflikten grundsätzlich nicht abgesagt, sondern verschoben. Die Gespräche dauern zwischen einer halben Stunde und 45 Minuten.

Bei dreizehn Mitarbeitern braucht das doch ordentlich Zeit. Da kommt einem schnell mal die Idee, die regelmässigen Treffen abzusagen und die Leute zu bitten, bei Problemen direkt auf den Vorgesetzten zu zukommen. Sozusagen „Führung on Demand“. Das halte ich für Schwachsinn. Diese Treffen sind mein primäres Führungsinstrument und die einzige Möglichkeit, den Puls meiner Mitarbeiter zu spüren. Nur so kann ich die Distanz etwas verkleinern. Meine Erfahrung (auch von mir selbst) ist, dass die wenigsten Leute bei Problemen zu ihrem Vorgesetzten gehen. Beziehungsweise erst, wenn es schon sehr schlimm ist. Und dann hat die Führung schon versagt.

Ehrliche Gespräche führen
In meinen Treffen gibt es weder Agenda noch ein Protokoll. Ich versuche alle Hürden, welche die Kommunikation behindern könnten, abzubauen. Es soll ein entspanntes Gespräch auf Augenhöhe sein. So unterhalten wir uns auch regelmässig über private Dinge wie Familie und Hobbies. Damit herrscht stets eine gute Atmosphäre. Und dies ist die Voraussetzung für einen offenen und transparenten Austausch.
Ein Anti-Pattern für solche Gespräch ist, wenn der Chef mit dem Laptop auftaucht. Er schaut dann die ganze Zeit in den Bildschirm, stellt vorgefertigte Fragen und macht sich Notizen. Wann hattest du zum letzten mal ein offenes und ehrliches Gespräch, wenn dein Gegenüber die ganze Zeit in den Computer schaut? Eben.
Handschritliche Notizen halte ich für zumutbar. Inzwischen verzichte ich auch auf diese und schreibe mir dafür nach dem Gespräch eine kurze Zusammenfassung.

Raus aus dem Büro!
Lange liefen meine Gespräche wie folgt ab: Man trifft sich in einem kleinen Sitzungszimmer, der Chef und der Mitarbeiter sitzen sich vis-à-vis, dazwischen ein Tisch. Diese Situation lässt sich mit einem Wort beschreiben: Steif. Und einem ehrlichen Gespräch unwürdig.
Seit letztem Sommer gehe ich mit meine Mitarbeitern raus. Zu einem Spaziergang an die frische Luft. Die Wirkung war verblüffend: Die Gespräche wurden deutlich entspannter. Waren der Austausch im Sitzungszimmer meist sehr oberflächlich, lernte ich plötzlich meine Mitarbeiter viel besser kennen. Auch schwierige Themen können viel einfacher besprochen werden, weil man sich auch mal Zeit zum Nachdenken nehmen kann. Kurze stille Pausen sind am Sitzungstisch peinlich; wenn man nebeneinander herläuft aber kein Problem.

Ziele fortlaufend besprechen und dokumentieren
Zielvereinbarungen sind an sich eine hohe Kunst (und keine meiner Stärken), in einer Matrixorganisation aber der absolute Horror. Da die Leute nicht direkt für mich arbeiten, kann ich auch selbst keine schlauen Ziele definieren. Also bin ich auf die Projektleiter angewiesen, welche leider meistens auch keine grosse Hilfe sind. Und trotzdem kommt man nicht darum herum. Also hierzu ein Pro-Tipp, um die Sache etwas erträglicher zu machen:
Wenn die Ziele mal definiert sind, lege ich diese pro Mitarbeiter im Confluence ab. Auf die Seiten können nur ich und der betroffene Mitarbeiter zugreifen. Nach jedem Mitarbeitergespräch schreibe ich kurz pro Ziel einen Satz zum Stand rein. Zudem hinterlege ich die Note, welche ich vergeben würde, müsste das Ziel heute beurteilt werden. Damit erreiche ich folgendes:

  • Ich als Vorgesetzter bin gezwungen, die Ziele laufend zu besprechen.
  • Der Fortschritt und meine Einschätzung wird transparent festgehalten. Wenn ich etwas falsch verstanden habe, kann der Mitarbeiter sofort intervenieren.
  • Die abschliessende jährliche Beurteilung ist nur noch Formsache. Es gibt keine langwierigen und für beide Seiten zermürbende Diskussionen mehr über die Erfüllung der einzelnen Ziele.

Fazit
Führen auf Distanz ist in einer Matrixorganisation unausweichlich, aber trotzdem nicht wirklich befriedigend. Am liebsten möchte ich Leute führen, mit welchen ich auch wirklich zusammenarbeite und wir gemeinsam etwas erreichen wollen.
Obige vier Tipps haben mir und (hoffentlich) meinen Mitarbeitern aber viel geholfen. Ich habe und hatte immer mit allen Leuten in meinem Team eine sehr gute Beziehung. Distanz hin oder her.

PS. Sollten das meine Mitarbeiter lesen: Füllt euch frei mir in den Kommentaren zu widersprechen!
PPS. Sollte das meine Chefin lesen: s/Mitarbeiter/Mitarbeitende/

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